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Die Antwort auf die Leib-Seele Frage
als wesentliches Mittel zur sozialen Kontrolle und Unterdrückung

Vortrag anläßlich der Konferenz der Radical Philosophy Association
in der Brown Universität in Providence, Rhode Island, USA am 7. November 2002

Zuerst möchte ich mich ganz herzlich für die Einladung zu dieser Konferenz bedanken.
Bitte wundern Sie sich nicht, wenn Sie zunächst keinen roten Faden in meinem Beitrag finden sollten. Er ist bewußt als ein Patchwork in 6 Stücken angelegt, das sich erst am Ende als ganzes Bild zu erkennen gibt, obwohl noch eine ganze Reihe von Puzzlestücken dazwischen fehlen mögen.

Patch Nummer 1
Zunächst ein paar prinzipielle Überlegungen zum Geist-Körper Verhältnis

Es handelt sich ja nur um zwei Begriffe, und die logischen Möglichkeiten ihrer Beziehung sind sehr leicht überschaubar: Ich beginne mit der mainstream Behauptung - und möchte auch gleich anmerken, daß sie meiner Ansicht nach falsch ist.

a)
Diese Position [im weiteren a) genannt] behauptet, Geist und Körper sind identisch, bzw. in einer Funktion vom Körper ableitbar, somit der Geist - mentales Erleben etc. - durch den Körper ausforschbar.
Als Fußnote: Typischerweise sind Esoteriker genauso von diesem Verhältnis überzeugt, behaupten nur umgekehrt: der Körper sei durch den Geist ableitbar.

Das heißt ausbuchstabiert:
Der Geist sei das unmittelbare Produkt des Gehirns. Die Untersuchung des Gehirns ergebe eine vollständige Erklärung des Geistes. Dies ist ungefähr ab Immanuel Kant die paradigmatisch vorherrschende Position, seit dieser die Metapher der angeblich "Geisteskrankheit" als "Kopfkrankheit" lokalisierte. Warum ich diese Position an ihrem Verhältnis zu angeblicher "Geisteskrankheit" festmache, vermittelt sich am Ende des Vortrags.

Befestigt und verstärkt wurde diese Position von Wilhelm Griesinger. Geisteskrankheit ist von nun an nicht mehr nur Kopf - sondern weiter reduziert - Gehirnkrankheit und von da ist es nur noch ein kleiner Schritt z.B. zu Viktor von Weizsäcker oder Carl Schneider, angeblich "Wissenschaftlern", die sich mit ihren Hirnschnellschnitten an frisch ermordeten Opfern endlich dem Geist, sei er nun deviant oder auch nicht, auf der Spur wähnten. Derselbe Fanatismus beseelte auch z.B. Oskar Vogt, den Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Hirnforschung in Berlin, und die sowjetischen Wissenschaftler mit ihren Hirnsammlungen und Hirnschnitten von Lenin und anderen verstorbenen "Genies".

In genau dieselbe Kategorie gehört die seit den 40er Jahren als "cognitive turn" bezeichnete Assoziierung des Gehirns mit einem funktionalen Apparat, dem kurz danach gebauten Computer. Wieder wurde nach einer Zuordnungsvorschrift, einem Algorithmus gesucht, nach dem das Gehirn funktionieren sollte, und wie sich Gehirnfunktionen elektronisch simulieren lassen. In diese Zeit fällt selbstverständlich auch das Aufkommen des psychiatrischen Elektroschockens als besonders üble Form der Folter. Diese Phantasie ist inzwischen durch den massenweisen Umgang mit Computern und dem Wissen von Software als molekular materiell verortbarer Information sehr dominant geworden. Tatsächlich geht es in dieser Assoziation allerdings um Computersprache als eine Sprache in ausschließlicher Befehlsstruktur: Die Phantasie des Herren- bzw. Militärmenschen wird bedient. Endlich Befehle geben können, die auf bedingungslosen Gehorsam treffen, und wenn es auch nur die Tastatur ist, der alte Traum der Herrschaft.

a 1) auch als Primat des Biologischen bezeichnet. Dabei wird das Biologische zum Paradigmatischen und Determinierenden, sei es als Vererbungslehre oder als Hirnstoffwechsel, bzw. wiederum irgendwelche elektrische Vorgänge. Um nicht völlig in einer unhaltbaren Position a) zu verschwinden, wird zugestanden, daß es möglicherweise undeterminiertes Geschehen im Gehirn gebe und es im Zusammenspiel mit der Umwelt und ihrem Feedback zu Unvorhersagbarem kommt. In der Regel wird aber dabei nur das banale Zugeständniss gemacht, "daß noch nicht alles Erforscht sei" und zukünftig eine vollständige Erklärung gegeben werden kann.
Kurz gesagt: es werden offene Positionen in der Bestimmung des Verhältnisses "Geist/Körper" zugelassen, aber diese sind marginal. a) + a1) werden von der gesamten Psychiaterzunft inklusive der Psychoanalytiker und selbstverständlich der Drogenindustrie vertreten.

b)
Im Gegendsatz zu der Position a) +a1) steht die Auffassung, daß "Mind" und "Body" voneinander unabhängige Entitäten sind, im Folgenden b) genannt. Damit geht einher:
eine Unterscheidung in eigene Gedanken im Gegensatz zum Resultat einer untersuchbaren deterministischen Kaskade, und das Subjektive, private Unwissbare einer prinzipiellen Unbestimmbarkeit des Mentalen. Als Randbemerkung sei vermerkt, daß man sich in radikaler Konsequenz auf Goedels Unvollständigkeitssatz berufen könnte [siehe The Godelian Argument von J. R. Lucas, entdeckt 2011]. Im Prinzip hat die nicht-positivistische Philosophie mit dem "Linguistik turn" diese Position bezogen. Allerdings kaum explizit Stellung bezogen, sondern sie hat sich völlig in die Defensive drängen lassen, hinter naturwissenschaftlichen Scheinerfolgen vergessen, Salz in die derzeit offenen und unheilbaren Wunden der Physik zu reiben.

Nach dieser Position ist die Möglichkeit des Redens von mentalen Ereignissen prinzipiell und unhintergehbar, sozusagen kategorial, unterschiedlich vom Reden und Erkenntnissen über Physikalisches, Objektivierbares, sind "Mind" und "Brain" einander unvermittelt gegenüberstehende Entitäten.

b1)
Für b) ähnlich zu dem zu a) Gesagten gibt es eine abgeschwächte Form, die Biologisches und Objektivierbares als "Störfaktor" zulässt, dies aber für marginal erklärt. Z. B. daß Drogen- oder Alkoholgenuss mentales Erleben verändert, aber auch hier eben Set und Setting letztendlich entscheidend sind, so daß sich daraus keineswegs eine a) Position konstruieren läßt.

Nur mit b) Positionen sind menschliche Kategorien überhaupt konstituierbar bzw. konstruierbar, weil sie von einer prinzipiellen Undeterminiertheit persönlicher Entscheidungen ausgehen. Erst unter dieser notwendigen Voraussetzung trifft das Individuum bei seinen Handlungen aus einer Auswahl eine Entscheidung und dann, und nur dann, kann es diese auch verantworten. Ein Gegenbeispiel macht das deutlich: ein Computer kann z. B. prinzipiell keine moralische Qualitäten besitzen und kann prinzipiell auch keine Schuld auf sich laden, er ist einfach nur ein Objekt. Jede metaphorische Verwechselung des "Mind" als "Computer-Brain" leugnet diese spezifisch und wesentlich menschliche Kern-Qualität ab. Sie werden später noch sehen, wie wesentlich dieser Punkt ist und daß das Recht durch das Gutachten der "Schuldunfähigkeit" nicht nur zur Karikatur, sondern dadurch zu einer besonderen Unterdrückungsmasche verkommen ist.

2. Patch
Das Reden von Gründen und Ursachen

Gilbert Ryle hat die entsprechenden Kategorien zutreffend benannt - Sie sehen, es sind keineswegs düstere Romantiker, Phänomenologen oder Existenzialisten, auf die ich mich beziehe.

Der Lehrstuhl FÜR Wahnsinn der freien Universität in Berlin, den ich hier vertrete, hat sich von Anfang an auf die Unterscheidung von Ursachen und Gründen konzentriert. Der Unterschied sollte jedem bekannt sein, ist es aber leider nicht, und so kommt es fortlaufend zu zentralen Sprachverwirrungen, die allerdings von Interessen geleitet werden - das Thema meines Vortrags.

Um den Unterschied von Ursachen und Gründen nochmals an einem Beispiel ganz klar und einfach vor Augen zu führen. Am 31. Oktober 1999 stürzte Egypt Air's Flug Nummer 990 in einem tödlichen Sturzflug an der Nord-Ost-Küste der USA vor der Insel "Nantucket" ins Meer. Zuerst suchte die Behörde für Flugsicherheit nach einer technischen, objektiven Ursache. Sobald der "voice recorder" gefunden war und die Worte der Piloten übersetzt waren, wurde diese Untersuchung abgebrochen und das FBI bemühte sich mit Arabisch als Muttersprache Sprechenden um die weitere Aufklärung: es wurde nach Gründen für das Verhalten der Piloten gesucht.
Offensichtlich unterscheidet ein völlig verschiedenes Kommunizieren, Untersuchungsmethoden und Fragen, Gründe von Ursachen: Gründe bilden in einem kulturellen, sprachlichen, logischen Kontext eine Struktur, die durch Interpretation erschlossen wird und literarische, soziale, moralische und religiöse Zusammenhänge hat.

Ursachen hingegen sind die Verhältnisse von Tatsachen in einem zwingenden Korsett von kausalen Zusammenhängen, ein zeitlich wie räumlich streng geordnetes konditionales wenn —› dann und nur dann Verhältnis, in dem sich mit Hilfe von mathematischen Modellen und Meßinstrumenten vorherberechnen läßt, wie ein Objekt sich in Zukunft verhalten wird oder was der exakte Fehler war, der zu einem eingetretenen Schaden geführt hat. Auf diese Berechnungen verlassen wir uns selbstverständlich alltäglich schon bei jeder Haus- oder Brückenkonstruktion und unser alltägliches Vertrauen wird laufend bestätigt. Ein Grund warum es eine so große Resonanz findet, alles in einem kausalen Muster von Ursachen erklärt zu bekommen.
Genau dieselben Unterschiede spiegeln sich in der Unterschiedlichkeit von "Brain" und "Mind" wieder. Das Hirn kann nach objektivierbaren Funktionzusammenhängen objektiv untersucht werden. Der "Mind" hingegen ist eine Entität, die sich nur durch Interpretation, soziale, gesellschaftlich-sprachliche Zusammenhänge und Traditionen erschließt, klassisch auch Hermeneutik genannt. Während wir also Tatsachen, die Ursachen haben, einer objektivierenden Untersuchung mit naturwissenschaftlichen Methoden unterziehen, werden wir über die Gründe, die das Handeln von Menschen und ihre Interessen artikulieren, sicherlich am besten durch Literatur und Kunst, Film und praktische Philosophie, sowie die Mythen der Völker etwas erfahren. Interessanterweise und fatalerweise ist zu diesem Ergebnis auch das Pentagon schon gekommen und inszeniert inzwischen seine Kriege nach Hollywood-Drehbüchern - die bösartigste und teuflischste Verdrehung von Theater und Wirklichkeit, die im letzten Monat im Moskauer Geiseldrama in der alten Welt einen anderen, traurigen Höhepunkt gefunden hat.

Fazit: Menschen können aus denselben Gründen das Verschiedenste, ja sogar Gegensätzliche, tun, und sie können aus den unterschiedlichsten Gründen dasselbe tun. Das ist die Ontologie der menschlichen Freiheit. Wer also Gründe mit Ursachen vertauscht, tut dies bestenfalls ahnungslos, hat aber in der Regel Gründe dies zu tun: die Stabilisierung der herrschenden Verhältnisse, das Verunmöglichen von emanzipatorischem Denken.

3. Patch
Warum es keine Geisteskrankheit gibt.
Es gibt einen einfachen Beweis, warum deren Existenz notwendiger- und sinnvollerweise bestritten werden muß, der in drei Schritten erfolgt:

1.) Beschreibung was Krankheit ist:
Um sinnvoll im medizinischen Sinn von einer Krankheit zu sprechen, müssen die BEIDEN folgenden Bedinungen erfüllt sein:
a) es muß eine objektivierbare Veränderung des Körpergewebes oder von Körperflüssigkeit vorhanden sein, wie sie z.B. bei der forensischen Untersuchung einer Todesursache festgestellt werden.
b) die Person, die eine Krankheit hat, muß darunter subjektiv leiden, bzw. glauben, daß sie leiden wird, d.h. sie muß den augenblicklichen Zustand zumindest für unangenehm halten und ihn abändern wollen. Das ist außerdem die Voraussetzung dafür, daß so etwas wie "Therapie" stattfinden kann.

2.) Es gibt keine Krankheit, OHNE daß beide Kriterien a) und b) erfüllt sind, denn:

- wenn keine der beiden Kriterien erfüllt sind, kann es sich nur um eine Verwendung des Wortes "Krankheit" als Methapher handeln: z.B. ein "kranker" Witz, oder die Wirtschaft hat eine "Krankheit".

- wenn a) gilt, aber nicht b), dann haben die Ärzte eben eine Diagnose und ein Betätigungsfeld verloren: z.B. wurden klein gewachsene Menschen einfach unter einem bestimmten Größe als "krank" an der "Kleinwüchsigkeit" bezeichnet. Das ist alles vorbei in dem Moment, wo viele kleine Menschen sagen, daß die Zwerge ein wesentlicher Bestandteil der Menschheit sind, nix von wegen Leiden. Ein anderes Beispiel sind Gehörlose: in dem Moment, wo sie sich als anderssprachig organisieren, ist es mit dem "Leiden" vorbei und damit mit der Möglichkeit, Taubheit eine "Krankheit" zu nennen.

- wenn b) gilt aber nicht a), dann wäre es allein der subjektiven Empfindung anheimgestellt, ob jemand eine Krankheit hat oder nicht. Die entsprechenden weitreichenden Konsequenzen ist sicherlich bisher keine Gesellschaft gewillt zu ziehen, denn es hieße, daß einerseits jede/r sich selbst die Krankschreibung unterschreiben könnte und andereseits die wesentliche Funktion der Ärzte zusammenbräche, da - im Gegensatz zur bisherigen (Schul)Medizin - nicht mehr Untersuchungen und eine Diagnose wesentlich wären, sondern jede Befindlichkeits-Quacksalberei den Vorrang hätte.

3.) Die angebl. existierende "psychische Krankheit" kann weder die Bedingung a) noch b) erfüllen - obwohl schon das Fehlen der Erfüllung einer der beiden Bedingungen diese angebl. "Diagnosen" bei einer Kandidatur für "Krankheit" durchfallen lassen würde (siehe 2.) denn:

- es gibt keine objektivierbaren Gewebeveränderungen. Wie jed/r weiß, wird weder ein Bluttest, noch ein Hirnscan, noch eine mikroskopische, Röntgen- oder Ultraschalluntersuchung (oder womöglich ein "Gentest") gemacht, um irgendeine der psychiaterischen Verleumdungs-Diagnosen zu stellen.

- kann kein "Leiden" vorliegen, das ja mit einen Wunsch nach Veränderung einhergeht, wenn in psychiatrischen Gefängnissen regelmäßig Menschen einsperrt werden. Diese sind logischerweise deswegen eingesperrt, weil sie nicht freiwillig dort sind und sonst weggehen würden und sich damit den psychiatrischen Foltermethoden wie Fesseln ans Bett, zwangsweise Penetration mit der Spritze, Elektroschocken usw. und dem ständigen Anblick dieser faschistoiden Methoden entziehen würden. Vielmehr werden die eingesperrten Menschen durch die Psychiatrie zu Leidenden gemacht, indem sie erniedrigt und entwürdigt werden, ihr Wille gebrochen werden soll, sie mit Foltermethoden unter Geständniszwang gesetzt werden, endlich "krankheits"-einsichtig zu werden, um damit im nachhinein das ganze Martyrium als "medizinische" Behandlung bezeichnen zu können.

Fazit: Es handeln sich bei den Worten "psychische Krankheit" um die Verwendung einer Methapher, also nur um Worte, keinen Sachverhalt oder eine Tatsache.

4. Patch
Ich zitiere in diesem Patch ausschließlich in einem langen Zitat aus Saul A. Kripke´s "Naming and Necessity" ("Name und Notwendigkeit") die letzten Seiten von 153 - 155 (deutsche Suhrkamp Ausgabe S. 174 -177), sozusagen das praktische Fazit dieses grundlegenden Werkes. Seine Vorträge geben evidente Hinweise, daß von einer "Identitätstheorie" von Geist und Gehirn nie und nimmer sinnvoll die Rede sein kann, auch wenn alles andere ungeklärt bleibt.

"Vielleicht läßt sich derselbe Punkt lebendiger ausdrücken, ohne daß man sich auf den speziellen technischen Apparat dieser Vorträge bezieht. Angenommen wir stellen uns vor, wie Gott die Welt erschafft; was muß er tun, damit die Identität zwischen Wärme und Molekularbewegung besteht? Hier würde es scheinen, daß alles, was er zu tun braucht, die Erschaffung der Wärme, das heißt der Molekularbewegung selbst ist. Wenn die Luftmoleküle auf dieser Erde genügend bewegt sind, wenn es ein brennendes Feuer gibt, dann wird die Erde heiß sein, selbst wenn es keine Beobachter gibt, die das wahrnehmen können. Gott hat das Licht (und damit nach der derzeitigen wissenschaftlichen Lehre Photonenströme) erschaffen, ehe er menschliche und tierische Beobachter erschaffen hat; und dasselbe gilt vermutlich für die Wärme. Wieso hat es dann für uns den Anschein, daß die Identität von Wärme und Molekularbewegung eine fundamentale wissenschaftliche Tatsache ist, daß die bloße Erschaffung der Molekularbewegung für Gott immer noch die zusätzliche Aufgabe übrigläßt. Molekularbewegung zu Wärme zu machen? Dieses Gefühl beruht in der Tat auf einer Täuschung, aber was tatsächlich eine wichtige Aufgabe für die Gottheit ist, ist die Aufgabe, die Molekularbewegung zu etwas zu machen, was als Wärme empfunden wird. Um das zu tun, muß er einige empfindungsfähige Wesen erschaffen, um zu sichern, daß die Molekularbewegung die Empfindung E in ihnen hervorruft. Erst wenn er das getan hat, wird es Wesen geben, die auf genau dieselbe Weise, auf die wir es tun, erkennen können, daß der Satz "Wärme ist die Bewegung von Molekülen" eine aposteriorische Wahrheit ausdrückt.

Wie verhält es sich mit dem Fall der Erregung von C-Fasern? Es würde scheinen, daß Gott, um dieses Phänomen zu erschaffen, nur Wesen mit C-Fasern erschaffen müßte, die des geeigneten Typs der physischen Erregung fähig sind; ob die Wesen Bewußtsein haben oder nicht, ist hier irrelevant. Es würde jedoch scheinen, daß Gott, um eine Entsprechung zwischen der Erregung der C-Fasern und Schmerzen bestehen zu lassen, noch etwas Weiteres zusätzlich zu der bloßen Erschaffung der Erregung von C-Fasern tun müßte: Er muß die Wesen die Erregung der C-Fasern als Schmerz fühlen lassen, und nicht als Kitzel oder als Wärme oder als gar nichts, was offensichtlich ebenfalls in seiner Macht gewesen wäre. Wenn diese Dinge tatsächlich in seiner Macht sind, dann kann die Relation zwischen dem Schmerz, den Gott erschafft, und der Erregung von C-Fasern nicht die Relation der Identität sein. Denn wenn diese Dinge in seiner Macht sind, dann könnte die Erregung ohne den Schmerz existieren; und da die Ausdrücke "Schmerz" und "Erregung von C-Fasern" starre Bezeichnungsausdrücke sind, hat diese Tatsache die Implikation, daß die Relation zwischen den beiden Phänomenen nicht die der Identität ist. Gott mußte neben der Erschaffung dieses Menschen selbst noch etwas Zusätzliches tun, um einen bestimmten Menschen zum Erfinder der bifokalen Gläser zu machen; dieser Mensch könnte durchaus existieren, ohne etwas Derartiges zu erfinden. Dasselbe läßt sich nicht für den Schmerz sagen; wenn das Phänomen überhaupt existiert, dann sollte keine weitere Arbeit erforderlich sein, um es zu Schmerz zu machen.

Mit einem Wort: die Entsprechung zwischen einem Gehirnzustand und einem mentalen Zustand scheint ein gewisses offenkundiges Element der Kontingenz zu enthalten. Wir haben gesehen, daß die Identitätsrelation nicht eine Relation von der Art ist, daß sie zwischen Gegenständen kontingenterweise bestehen kann. Wenn die Identitätsthese richtig wäre, würde daher das Element der Kontingenz nicht in der Relation zwischen mentalen und physischen Zuständen liegen. Es kann nicht, wie bei Wärme und Molekularbewegung der Fall, in der Relation zwischen dem Phänomen (= Wärme = Molekularbewegung) und seiner Empfindungs- oder Erscheinungsweise (Empfindung E) liegen, da es im Falle mentaler Phänomene keine "Erscheinung" über das mentale Phänomen selbst hinaus gibt.

Ich habe hier das Gewicht auf die Möglichkeit - oder offensichtliche Möglichkeit - eines physischen Zustands ohne den entsprechenden mentalen Zustand gelegt. Die umgekehrte Möglichkeit, die Möglichkeit des mentalen Zustands (Schmerzen) ohne den physischen Zustand (Erregung von C-Fasern), bietet ebenfalls Probleme für den Identitätstheoretiker, die nicht durch Berufung auf die Analogie der Identität von Wärme und Molekularbewegung aufgelöst werden können.

Ich habe ähnliche Probleme kürzer erörtert für Auffassungen, welche das Ich mit dem Körper gleichsetzen, und für Theorien, die einzelne mentale Ereignisse mit einzelnen physikalischen Ereignissen gleichsetzen, ohne daß ich dabei mögliche Gegenzüge mit derselben Genauigkeit erörtert hätte wie im Fall der Identität zwischen Typen. Es möge genügen, wenn ich die Vermutung äußere, daß die angeführten Überlegungen anzeigen, daß sich der Theoretiker, der verschiedene einzelne mentale und physikalische Ereignisse identifizieren möchte, mit ganz ähnlichen Problemen wird konfrontieren müssen wie der Theoretiker, der die Identität zwischen Typen annimmt; auch er wird nicht in der Lage sein, sich auf die angeblich analogen Standardfälle zu berufen.

Daß zur Lösung der Probleme des Identitätstheoretikers nicht die üblichen Schritte und Analogien zur Verfügung stehen, ist natürlich kein Beweis dafür, daß überhaupt keine Schritte zur Verfügung stehen. Ich kann hier natürlich nicht alle Möglichkeiten erörtern. Ich vermute jedoch, die jetzt angestellten Überlegungen sprechen stark gegen die üblichen Formen des Materialismus. Der Materialismus muß, denke ich, die These vertreten, daß eine physikalische Beschreibung der Welt eine vollständige Beschreibung der Welt ist, daß alle mentalen Tatsachen "ontologisch abhängig" von physikalischen Tatsachen sind, abhängig in dem direkten Sinn, daß sie notwendig aus ihnen folgen. Mir scheint, daß kein Identitätstheoretiker ein überzeugendes Argument gegen die intuitive Auffassung vorgelegt hat, daß das nicht der Fall ist."

Ende des Zitats und dazu noch der letzte Satz seiner letzten Fußnote als Zitat:
"Ich betrachte das Leib-Seele-Problem als ein ganz offenes und äußerst verwirrendes Problem."

5. Patch
Übersicht

An dieses Schlußwort von Saul Kripke läßt sich sehr schön anschließen: Er hat die Identitätstheorie also a) und a1) gründlich widerlegt, aber steht nun selbst verwirrt und orientierungslos da.

Dabei könnte ich es für diesen Vortrag auch bewenden lassen. Für die Grundthese meines Vortrags wäre das hinreichend.
Um sie trotzdem nicht mit all zu vielen Zweifeln hier weggehen zu lassen, möchte ich einfach folgendes Modell in den Raum stellen. Damit wird offensichtlich, daß die Identitätstheoretiker sowieso einpacken können, solange dieser Modellvorschlag nicht widerlegt ist. Seine Falsifizierung wäre übrigens extrem schwierig. Stellen sie sich einfach den Geist als nichtlokale Entität vor und das Gehirn ist "nur" der Empfangsapparat dafür, also wie ein Radioapparat oder ein TV Set. Unmittelbar ist klar - töricht wäre, wer im Radioapparat eine kleine Mini Kapelle vermuten würde, die da die Musik spielt. Analog ist demnach derjenige genauso töricht, der im Gehirn mentales Erleben sucht. Mit diesem Modellvorschlag wäre es auch sehr leicht verständlich, daß Einflußnahme auf den Empfangsapparat die Nachricht verändert bzw. verzerrt: ein Magnet auf die Mattscheibe gelegt, macht das sofort deutlich - so wie z.B. Drogen das mentale Erleben verändern bzw. verzerren.

Mit diesem Modell würde auch eher Anschlußfähigkeit zu den brennenden Fragen der Physik geschaffen werden können, insbesondere der Quantenphysik, die z.B. in der Interpretation von David Bohm Nichtlokalität von Information zur Prämisse wählt. Oder der Anfang einer Antwort auf das gigantische Defizit aller neuralen Schwätzer wäre gegeben, die nicht mal eine Hypothese über "Erinnerung" haben. Und vielleicht am weitreichendsten: daß der Begriff des Natur-"Gesetzes" rein sozialen Herrschaftsansprüchen entspringen könnte, ein Begriff wie Natur-"Gewohnheit" hingegen den statistischen Gegebenheiten der Atomphysik viel adäquater wäre und sich daraus eventuell tatsächlich eine Endophysik entwickeln ließe. (Endophysik ist Physik des inneren Beobachters)

Und schon sind wir mitten im Schlachtgebrüll, das der Physiker Alan Sokal vor 5 Jahren veranstaltet hat und dem meines Wissens die Humanities (Geisteswissenschaften) nicht mit der allergeringsten Offensive entgegengetreten sind. Wie weitgehend die Erosion bei den Geisteswissenschaften und ihrem vorauseilendem Gehorsam gegenüber der naturwissenschaftlichen Technokratie und deren Herrschaftslogik schon fortgeschritten ist, kann einen nur mit größter Sorge erfüllen. Meine Bedenken sind diesbezüglich weit, weit jenseits von "political correctness" angesiedelt.
Obwohl also die Beweise eindeutig sind, daß a) bzw. a1) falsch ist, warum wird trotzdem an a) bzw. a1) festgehalten? Aus dem herrschenden Interesse bzw. dem Interesse der Herrschenden! So herum erklärt sich, warum die falsche Grundhypothese laufend fortgeschrieben wird: Das Verhalten von Menschen soll als verursacht phantasiert werden, um ihm das zwingende Korsett des Kausalen zu verpassen - es ist das Destillat einer Ideologie der Unterdrückung.

Damit offenbart sich als das zentrale Anliegen dieser Psycho-Pseudo-Wissenschaften, eine weltliche Kontrollmöglichkeit vorzutäuschen, die allerdings mit medizinisch inquisitorischer Brutalität eingraviert wird. Die geläufige Antwort auf das Geist/Körper Verhältnis läßt sich also einfach als Funktion eines Herrschaftsverhältnisses erkennen. Sie soll gesellschaftlich eine Gezwungenheit vortäuschen, wo eigene Partizipation möglich wäre. Das Mentale als ganz persönliches Erleben, das Wissen um eigene Geheimnisse, soll - im Gegensatz zu den tatsächlichen Verhältnissen - als verursacht, also determiniert angenommen werden, also in gezwungenen, kausalen Bahnen verlaufen und ausforschbar sein.

Durch Aufladung mit Herrschaftssymbolik, z.B. die Universität - die neue Kirche mit Folterabteilung in der Geschlossenen -, die Experimente, die Lehranalyse, das Staatliche und uneinlösbare Heilsversprechen wird die Einschüchterung, das "Glauben machen", so weit getrieben, daß in vorauseilendem Gehorsam dieser offensichtliche Blödsinn bereitwillig geglaubt wird. Damit konnte sich das System - OHNE irgendeine Grundlage außer der Gewalt! - soweit stabilisieren, daß selbst viele der Opfer die Entwürdigung und Entmenschlichung, die sie erfahren haben, nicht dem unterdrückenden System anlasten. Stattdessen akzeptieren sie, wie in einer Tretmühle, die perfide Methode der jeweils individuellen Zuschreibung einer persönlichen "Diagnose" insofern, als sie vereinzelt und in sich selbst nach den Gründen ihrer Mißhandlung suchen und damit in einem Teufelskreis der definierenden Instanz gefangen sind. Eine nahezu perfekte Imprägnierung zum lebenslangen Opfer. Das Politische des Geschehens wird damit relativ erfolgreich verdunkelt.

Obwohl sich dieser Kontrollanspruch andauernd mit der persönlichen Erfahrung reibt, so kann es nur als Zeichen einer umfassenden ideologischen Verkennung verstanden werden, daß sich diese falsche Behauptung weiter so erfolgreich hält. Nur so erklärt sich, wie sich seit mehr als zwei Jahrhunderten ein Kerkersystem mit Folterregime, die Zwangspsychiatrie, entgegen allen Regeln der Mitmenschlichkeit, aufrechterhalten läßt.

Die Konsequenzen dieses Systems haben sich in den 6 Gasmordanstalten des psychiatrischen Holocausts in Deutschland gezeigt, die Blaupause für die sich anschließenden, besser bekannten, Vernichtungslager in Polen. Auch dies wurde bisher nicht verstanden, sondern abgewehrt.
Der Historiker Ernst Klee dagegen hat die Dinge auf den Begriff gebracht: "Nicht die Nazis haben die Ärzte gebraucht, sondern die Ärzte die Nazis."

Nach dieser politischen Erklärung, möchte ich noch einen Erklärungshinweis auf die subjektive Seite des "Warum" geben, allerdings nur unter der Voraussetzung, daß Sie mir das nicht als Psychologisierung ankreiden:
Er scheint mir in der Angst vor der Freiheit zu liegen, einem Subordinationsbedürfnis trotz bzw. gerade mit lautestem Vortäuschen von "Individualität". Diese verlogene Rhetorik scheint wie ein Schutzschild gegen die Angst vor der Freiheit verwendet zu werden. Dazu kommt noch die spezifische Entlastungsfunktion durch die Aussonderungspraxis der Zwangspsychiatrie, die natürlich nur irgendwie Dissidente in das Schwarze Loch der Psychiatrie verdammt. Mit dieser Aussonderungspraxis werden eigene Ohnmachtserfahrung der Nicht-Ausgesonderten betäubt, um sich damit selbst dann, wenn man in der symbolischen Hierarchie nur knapp drüber ist, z.B. als körperlich Behinderter, noch als jemand Besseres empfinden zu können, weil man schließlich nicht so einer, ein "Schizophrener" sei. So stabilisieren die Ausgrenzungsbedürfnisse der Nicht-Ausgesonderten die Hackordnung der herrschenden Verhältnisse bzw. die Verhältnisse der Herrschaft. Diese Ausgrenzungsbedürfnisse sind sicherlich ein wichtiger Aspekt, um zu verstehen warum diese Gesellschaft so funktioniert, wie sie funktioniert.

6. Patch
Appell

- Schafft endlich die Psych KG´s und Zwangsbetreuungsgesetze ab.
- Schafft die zwangspsychiatrische Tyrannei ab und verhelft der UN-Menschenrechtserklärung endlich zu gesellschaftlicher Praxis, auch in den USA.
- Erkennt, welche zentrale Rolle Antipsychiatrie, besser noch Anti-Zwangspsychiatrie, für emanzipatorische Hoffnungen und Wünsche spielt.
- Seid zuversichtlich, daß die Zwangspsychiatrie überwunden werden kann - es ist sogar ein sehr sprödes System, da es für sich in Anspruch nimmt eine "Wissenschaft" zu sein und sich mit "Krankheit" zu beschäftigen, als ob es eine objektive Tatsache wäre. Das ist der schwache Punkt, wo der Goliath getroffen werden kann. Wenn es irgendwo in der Welt möglich sein wird, den Anspruch der Psychiatrie, eine Wissenschaft zu sein, dadurch zurückzuweisen, daß man einem Psychiater auf gesetzlichem Wege das Recht verweigern kann, einen einzusperren, dann ist das System grundsätzlich bankrott.

Danksagung
Die hier vorgetragenen Gedanken stützen sich auf Michel Foucault und Thomas Szasz, die diese schon vor über 40 Jahren entwickelt haben.

7. Patch

Nachtrag - 13.2.2011
Inzwischen sind die Ergebnisse der sog. "Nun Study" bekannt geworden, die für die psychiatrischen Konstrukte wie eine Kernschmelze sind - der Supergau. Denn wenn eines als unbezweifelbares Hirn-Korrelat von zunehmender Vergesslichkeit im Alter und als angebliche "Krankheit Alzheimer" identifiziert galt, dann war das die Plaque im Gehirn von Verstorbenen, deren Gehirn untersucht wurde. Aber das Gegenteil ist der Fall: "Ein auffälliges Ergebnis war die Unabhängigkeit des pathologischen Gehirnbefunds (multiple Alzheimer-Plaques) von der wiederholt erhobenen intellektuellen Leistungsfähigkeit derselben Personen zu Lebzeiten. Das heißt: Auch Personen, bei denen bei der Sektion stark veränderte Gehirnbefunde festgestellt wurden, konnten bis zu ihrem Tod geistig anspruchsvolle Aufgaben ausführen."
wie der tatsächliche Befund in Wikipedia kurz und bündig zusammengefasst wird. Damit hat sich selbst das als solidest geglaubte psychiatrisch-neurologische "Wissen" über ein vermeintliches Leib-Seele Korrelat als reines Wortgestöber erwiesen. Wären Psychiater nicht unverändert mit solch staatlich legalisierter Gewalt versehen, sie wären der lächerlichste Stern am akademischen Himmel.
So sind sie allerdings staatlich geschützte Verbrecher.

© René Talbot

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